Minimalismus und Phantastik

Die „Schöne und das Biest“ begegnen sich in meinen Arbeiten ziemlich entspannt in einer fast paradiesischen Landschaft, als deren Vorbild die Toskana dient. Meine „reinen“ Landschaftsbilder dagegen sind sozusagen ohne das attraktive und phantastische Personal der „Schönen und das Biest“ konzipiert.

Meine neue Serie mit dem Titel „Die Schöne und das Biest“ besteht aus „Klapp-Ikonen“, kastenförmigen Wandobjekten mit Öl- bzw. Acrylmalerei vorne und pastosem farbigem Acryl-Auftrag an den Seiten, sowie digitalen Collagen (Inkjet-Prints). Damit greife ich eine formale Struktur wieder auf, die auf meine künstlerischen Anfänge mit minimalistischen Arbeiten zurückgeht. So experimentierte ich mit pastos gespachtelten farbigen Rahmen- und Fächen-Strukturen für meine damaligen Ölbilder. Meine neuen Malobjekte haben im Hinblick auf die monochromen Seitenflächen Ähnlichkeit mit minimalistischen Dingen. Auf der Vorderseite dagegen male ich in einer offenen „Faktur“ (Maloberfläche) phantastisch-schöne Szenarios.

 

Damit intendiere ich nicht eine „dekorative“ Funktion minimalistischer und monochromer Oberflächen, sondern versuche, Prinzipien prononcierter abstrakter Kunst mit denen figurativer Malerei zusammenzubringen. Allerdings kann man diese abstrakt monochromen Strukturen auch "dekorativ" im Sinne des "decorum“ (lat. das Schickliche und Schöne, Reizende) sehen.

Wichtig ist, wie diese Arbeiten auf der Wandfläche erscheinen.

Das "Falsche" an einer rein "dekorativen" Sichtweise ist deren Intention einer Vereinheitlichung im Sinne von "Bild und Rahmen". Damit hat man wieder das alte Schema mit seiner hierarchischen Ordnung: Der Rahmen, mag er auch noch so aufwendig sein, gilt als Beiwerk, das das gemalte Bildes eindrucksvoll hervorheben soll.

Nun ist der Kampf gegen eine „falsche“ Identität eines der Paradigmen der Modernität und hat ihren philosophische Ausformulierung in der 1966 erschienenen „negativen Dialektik“ von Adorno gefunden. Dies ist heute nichts Neues und gerade das scheint mir der Punkt zu sein.

Mein künstlerischer Werdegang von einer frühen Begeisterung für die „Kritische Theorie“ (als einer deren wichtigsten Köpfe Adorno zu gelten hat) des Kunstakademie-Studenten führte über eine merkliche Abkühlung (Dissertation 1969 über Ad Reinhardt) bis hin zu einer differenzierten Re-Lektüre heute.

 

Jean Baudrillard hat diese „Stimmung“ unter Stichworten wie dem „Transästhetischen“ und einer „Illusion des Endes“ auf den Punkt gebracht:

               Die Kunst, wir sehen sie üppig wuchern und noch üppiger den Diskurs über Kunst…Wie die Barockmenschen sind wir emsige Bilderzeuger, aber insgeheim sind wir Ikonoklasten. Nicht solche, die die Bilder zerstören, sondern eher solche, die Bilder im Überfluss herstellen, auf denen es nichts mehr zu sehen gibt. Die meisten zeitgenössischen Bilder, Video, Malerei, Plastik, das Audivisuelle, die synthetischen Bilder sind buchstäblich solche, auf denen es nichts mehr zu sehen gibt…Auf einem monochromen Bild fasziniert uns die wunderbare Abwesenheit jeglicher Form. Das ist die Auslöschung – immer noch in der Form der Kunst – jeder ästhetischen Syntax, wie uns im Transsexuellen die Auslöschung – immer noch in der Form des Spektakels – der Gechlechterdifferenz fasziniert. Diese Bilder verbergen nichts, sie enthüllen nichts, sie haben in gewisser Weise eine negative Intensität…Darin besteht das Wunder. Unsere Bilder sind wie Ikonen: sie erlauben uns, weiterhin an die Kunst zu glauben, indem sie die Frage ihrer Existenz umgehen.[1]

 

Auch wenn dies in Baudrillards typischer stakkatohaft-exzessiver Diktion gehalten ist, wird klar, dass eine im weitesten Sinn minimalistische Kunst (und nicht nur sie) existentialistisch, womöglich noch als Selbst-Findung zu deuten (wie es bei Künstlern und ihren Interpreten verständlicherweise recht beliebt ist), zu kurz greift. Damit würde man jener spezifischen Negativität „in der Form der Kunst“ (wie Baudrillard sagt) nicht gerecht. Diese künstlerische Negativität beinhaltet in einem ersten Schritt die Auslöschung der Formen und des subjektiven Faktors (worüber ich mit Franz nicht ganz einer Meinung war), also die Auslöschung des Existentiellen (was Baudrillard reklamiert), um in einem zweiten Schritt als Kunst (selbst in ihrer konzeptuellen Form) notwendigerweise in eine Positivität, eine Konstruktion überzugehen. Doch handelt es sich dabei um eine, im Sinne Foucaults „nicht-positive Bejahung“[2]. Dieser negativen Bejahung entspricht weder etwas Affirmatives noch eine „Feier des Nichts“ (Malewitsch), sondern, wie Foucault meint, eine „Erprobung der Grenze“, eine „Transitivität“, oder (in meiner Diktion), ein Spiel der Metamorphosen.

 

[1] Jean Buadrillard, Transparenz des Bösen, Berlin 1992, S. 24f

[2] Michel Foucault, Vorrede zur Überschreitung, in: Dits et Ecrits, Frankfurt 2001, S. 326f

 

 

(2013)

Heribert Heere

KÜNSTLER

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