Deutungsvorschläge:
Christus mit hl. Sebastian und Engeln, 2021, 70 x 100 cm
Der hl. Sebastian links wird teilweise überdeckt von dem Gesicht des "Schmerzensmanns" nach Fra Angelico, komplettiert von einer Gruppe von Engeln, die wir Botticelli verdanken. Sebastian ist ein christlicher Märtyrer, der den Pfeilen seiner Peiniger ausgesetzt ist. In der Kunst seit der Renaissance avancierte er zum Modell des nackten männlichen Körpers. Auch er ist ein Leidender, wie Christus. Dem steht der Liebreiz der Engelsgesichter gegenüber, denen Botticelli eine beinahe himmlische Schönheit verliehen hat.
Die Darstellung des leidenden Christus mit Dornenkrone, kombiniert mit der Figur des Heiligen Sebastian und den Engelsköpfen im Hintergrund, ist eine bildnerische Auseinandersetzung mit Themen des Leidens und der Erlösung.
Die Verwendung der roten Farbe, die wie Blut aus den Augen zu fließen scheint, verstärkt das Motiv des Leidens und der Opferung, das sowohl mit Christus als auch mit dem hl. Sebastian verbunden ist. Die gelbe Farbe über einem der Gesichter könnte symbolisch für göttliches Licht oder eine Art "himmlische Intervention" stehen, was auch in dieser Collage meine Problematisierung von Transzendenz und Transparenz zeigt.
In einer tieferen Ebene könnte die Collage auch die Darstellung und die Bedeutung des Heiligen und des Profanen in der heutigen Zeit reflektieren.
Christus 05, 2021, Acryl/Collage, 100 x 70 cm
Für diese Collage habe ich das Gemälde „Christus mit Dornenkrone“ von Fra Angelico aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts verwendet.
Fra Angelico (1395/99 – 1455) gilt als bedeutender Maler der italienischen Frührenaissance. Seine Gemälde und Fresken mit ausschließlich religösen Sujets bringen ihm den Beinamen „Il Beato“ (Der Selige) ein. Als Domenikanermönch ist er 1982 vom Papst Johannes Paul II. selig gesprochen worden. Eine posthume Würdigung dieses christlichen Malers, der es damit fast in den Status eines Heiligen geschafft hat!
Er ist als Maler auf der Höhe seiner Zeit, der Frührenaissance, befleissigt sich aber bewußt gewisser retardierender Elemente, die bei anderen Zeitgenossen, z.B. Masaccio oder Masolino schon abgehakt waren, wie etwa der Goldgrund. Wenn man die Anzahl prächtig ausgestatteter Bildbände seines Werks in Betracht zieht, gehört er zu den beliebtesten füheren Malern überhaupt, was sicherlich am ausdrucksstarken Stil seiner christlichen Szenarios liegt: gleichzeitig körperlich plastisch illusionistisch und dennoch „transzendent“.
„Wie aber lässt sich piktural zwischen einem gewöhnlichen, geheimnislosen Körper und einem Körper unterscheiden, der vom Mysterium getragen wird?“ fragt Georges Didi-Huberman[1]. „Fra Angelico malte vor allem figurae im lateinischen und mittelalterlichen Sinn, d. h. theologische gedachte pikturale Zeichen, die in den Körpern das Mysterium repräsentieren sollten, das über die Körper hinausweist…“ Didi-Huberman analysiert in seinem Buch ausführlich Frau Angelicos Malerei des „Unähnlichen“, die die Erfahrung einer „Inkorporation des Bildes“ auslöst, das gleichzeitig irdisch körperlich und jenseitig eschatologisch ist. Dafür gebraucht er den Begriff der „Präsenz“ seiner Malerei bei aller verweisenden Repräsentation.
Diese Präsenz seiner Malerei, seiner Figuren wie auch deren Umgebung mit fast abstrakten Einsprengseln beschreibt Didi-Huberman im Rückgriff auf mittelalterliche Denker wie Thomas von Aquin als „innere Schau“, als „Vision“, als „Kontemplationsoberfläche“ und als „Inkarnation des Mysteriums“.[2]
Die abstrahierende Collagierung erweitert und verstärkt sowohl die Präsenz des ursprünglichen Kunstwerkes als auch die Transformation durch meine übermalte Collage.
Christus mit lesendem Engel, 2024, Acryl/Collage, 110 x 80 cm
Im Vordergrund sehen wir eine Darstellung von Christus mit der Dornenkrone.
Der Hintergrund der Collage zeigt eine Renaissance-Architektur, gemalt von Botticelli ("Die Verleumdung des Apelles")
Der gesichtslose lesende Engel rechts im Bild, könnte eine Allegorie der schwierigen himmlischen Kommunikation sein.
Der gemalten horizontale rote Streifen und der vertikale blaue Streifen bilden ein abstraktes modernes Element, das die religiöse Botschaft in gewisser Weise dekontextualisiert.
Die Streifen könnten somit als Metapher für die Problematik von mangelnder Transzendenz in säkularen modernen westlichen Gesellschaften stehen.
Durch die absichtliche Störung des Bildes mit den Streifen wird auch eine Offenheit der Interpretationen geschaffen, die die Betrachter herausfordert.