Spiel der Bedeutungen

Für meine Arbeiten ist das "Spiel der Bedeutungen" kennzeichnend.

Die Ideen, Vorstellungen und Assoziationskomplexe, die von mir – bewusst oder unbewusst – intendiert und in das Werk „hineingelegt“ wurden, die also den „ästhetischen Code“ bilden, nun als Bedeutungen aufscheinen, wie ich sie ansatzweise in meinen Bilderläuterungen dargelagt habe. Selbstverständlich wird dadurch der Deutungsspielraum für die Betrachter weder eingeengt noch autoritär dirigiert, sondern erst angeregt.

Allen Betrachtern steht es natürlich auch frei, diese Bedeutungsvorschläge zu ignorieren und eigene (oder auch keine) zu entwickeln.

Es geht um die Möglichkeit von Bedeutungen – und nicht um die Stigmatisierung und den radikalen Ausschluß derselben, wie beim „autonomen“ Kunstwerk, obwohl sich die vielbeschworene Autonomie des Kunstwerks bei näherem Hinsehen als Chimäre[HH1]  entpuppt.

 

Postmoderne

 

Die Postmoderne ist in vielerlei Hinsicht durch ein Spiel der Bedeutungen geprägt – ein zentrales Merkmal ihres Denkens und ästhetischen Selbstverständnisses. Das betrifft insbesondere die Kunst und Literatur, aber auch Philosophie und Kultur im Allgemeinen

In der Postmoderne wird Bedeutung nicht mehr als fest und objektiv verstanden. Stattdessen ist Bedeutung relational: Sie entsteht im Zusammenspiel von Zeichen, Kontext, Interpretation und Rezeption. Es gibt kein „wahres“ oder „ursprüngliches“ Zentrum eines Kunstwerks.

Dekonstruktion (z. B. bei Jacques Derrida) zeigt, dass Sprache und Zeichen immer wieder auf andere Zeichen verweisen – ein endloses Verschieben von Bedeutung („différance“).

Das Kunstwerk wird nicht als abgeschlossenes Ganzes betrachtet, sondern als offener Text, der von Lesern, Zuschauern, Betrachtern ständig neu gedeutet wird.

Ein Werk wie Marcel Duchamps „Fountain“ (ein umgedrehtes Urinal) ist nicht mehr „Kunst“ im traditionellen Sinn, sondern provoziert Bedeutung: Ist es Ironie? Kritik? Konzept? Reine Geste? Alles auf einmal?

Es gibt keine „wahre“ Bedeutung, die irgendwo im Werk verankert ist.

Stattdessen wird Bedeutung konstruiert – durch kulturelle Kontexte, subjektive Perspektiven, Diskurse.

 

 

Marcel Duchamp, Fountain, 1917

Das Kunstwerk im Spiegel der Bedeutungen

 

Zu jedem Kunstwerk gehören essentiell nicht nur die lokale und zeitliche Einordnung, sondern vor allem sein medialer Widerhall in Kommentaren, Zitaten, Aneignungen und Künstlertexten. Damit ist jedes Kunstwerk einer ständigen Veränderung unterworfen. Es gibt kein „Wesen“, keine „Essenz von Kunst“. Deshalb kann es auch keine, und sei sie noch so allgemein, Definition von Kunst geben. Ebenso wenig gibt es eine immer gültige, ideale und letztliche Deutung eines Werks.

Damit wird nicht nur ein weiteres Beiwerk dem scheinbar absoluten Werk hinzugefügt, was man denn auch weglassen könnte, sondern das Werk selbst verändert sich. Das, was wir sehen, blickt uns an.

Letzteres kann man gut an Werken ablesen, die über die Jahrhunderte immer wieder Gegenstand von verschiedensten Betrachtungen wurden, wie z.B. die Meninas von Velasquez.

 

Meninas 02, 2017, Acryl/Collage, 100 x 70 cm

Kunst und Nichtkunst

 

Die Frage, woran man Kunst von Nichtkunst erkennt, ist seit Marcel Duchamps Ready-mades und erst recht angesichts der Kunstentwicklung ab den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts überflüssig geworden. Duchamp hat mit seiner "Fountain" genannten Pissoirschüssel den Beweis angetreten, dass ein ganz gewöhnlicher Gegenstand des täglichen Gebrauchs, nicht einmal handgefertigt, sondern aus industrieller Massenproduktion stammend und erst noch für denkbar profane Zwecke bestimmt, ohne die mindeste Veränderung zum Kunstwerk mutieren kann, wenn er nur wie ein solches präsentiert wird. Das hat er 1917 auf der denkwürdigen Ausstellung der Society of Independent Artists der Kunstwelt vorgestellt. In den Sechzigern hat der junge Andy Warhol in New York seine legendären Brillo-Schachteln ausgestellt. Das waren genaue Nachbildungen von den normalen Verpackungskartons, die damals in den Regalen der Händler standen. Von außen konnte man die Schachteln nicht von den echten unterscheiden. Die wurden den Galeriebesuchern, zu Dutzenden aufeinander gestapelt, als Kunstwerk präsentiert und als solche akzeptiert, ohne dass dazu der geringste ästhetische Mehrwert vonnöten gewesen wäre.

 

Andy Warhol, Brillo Boxes, 1964

 

Was der Künstler oder die Künstlerin in das Kunstwerk hineinlegen, lässt sich als ein "ästhetischer Code" bezeichnen, der von den unterschiedlichen Betrachtern gelesen werden kann.

 

Ästhetischer Code

Was sie aber wirklich beweisen, ohne dass davon gebührend Kenntnis genommen wurde, ist, dass Kunst offensichtlich eine reine Sache der Wahrnehmung und des Bewusstseins ist, dass sie nur im menschlichen Bewusstsein entstehen und sich entfalten kann und nicht auf irgendeine geheimnisvolle Weise als eine materielle oder immaterielle Substanz im Kunstwerk steckt.

 

Die Bedeutung von Kunstwerken besteht darin, dass diese metaphorisch sind, in dem Sinn, dass sie etwas exemplifizieren, indem sie über den repräsentierten Gegenstand hinausweisen, aber nicht so sehr in einem geistigen, intellektuellen oder gar analytischen Sinn (wie das die «geistige Aussage» zu implizieren scheint), sondern indem sie uns über ihre ästhetische Gestalt eine Vielfalt von Assoziationsfeldern, Bedeutungskomplexen und Vernetzungsmöglichkeiten anbieten.

 

Diese Erkenntnisse legen nahe, dass Kunst lediglich innerhalb des menschlichen Bewusstseins existiert, welches als Schauplatz aller mentalen Zustände und Ereignisse verstanden wird. Die künstlerische Vision manifestiert sich im Bewusstsein des Künstlers und wird im Bewusstsein des Rezipienten decodiert. Das Kunstwerk im Zentrum kann als Träger eines ästhetischen Codes oder Zeichenkomplexes beschrieben werden, der im Schöpfungsprozess unter den Händen des Künstlers in das physikalische Material hineinkonfiguriert wird und der vom Bewusstsein des Rezipienten decodiert werden muss. Die Übereinstimmung der kulturellen und mentalen Welt des Künstlers mit der des Rezipienten ist dabei ein entscheidender Faktor für den Erfolg. Der Code oder Zeichenkomplex fungiert als Medium zur Übermittlung des Bedeutungsgehalts des Kunstwerks, wobei das Bewusstsein des Rezipienten einen integralen Bestandteil dieses Prozesses darstellt. Die Bedeutung eines Kunstwerks manifestiert sich in der Überlagerung und Durchwirkung der ästhetischen Erscheinung des Gegenstandes, wodurch dieses zum Kunstwerk erhoben wird

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