In der „ästhetischen Theodizee“ (Nietzsche), wonach „ nur als ästhetisches Phänomen das Dasein und die Welt ewig gerechtfertigt ist“, liegt auch eine Hybris, die ihre schrecklichste Ausprägung in den Pseudo-Künstlern Hitler oder Mussolini finden sollte, die die Welt selbst zum perversen „Kunstwerk“ degenerieren wollten: Allerdings darf durch diesen faschistischen Missbrauch nicht unterschlagen werden, dass das Ästhetische ein antizipatorisches Moment, ein Versprechen auf ein erfülltes Leben beinhaltet
Deshalb ist Nietzsches diesbezügliche „Artisten-Metaphysik“ zentral, was die gerade heute wieder virulente Diskussion über ein Ethos, eine „Moral“ der Kunst betrifft. Gerade weil Nietzsche „die Schrecklichkeiten und Entsetzlichkeiten des Daseins“[2] so sehr herausstreicht, kommt er zu dem Schluss, dass das Dasein und die Welt durch die Kunst überhaupt erst erträglich wird. Damit wird, wie Volker Gerhardt betont, der triviale Sinn einer bloßen „Verschönerung des Daseins“ oder gar der einer emotionalen Legitimierung drückender Herrschaftsverhältnisse, längst überboten:
"Es geht um die Erhaltung des Lebens überhaupt: Wer den Zugang zur Kunst nicht findet...der geht zugrunde. Die Verzweiflung am Leben ist eine tödliche Krankheit, die... notwendig zur in individuellen Existenz gehört. Eben darin liegt der tragische Charakter des Lebens…Ohne die Kunst ist das Dasein verloren; erst ihre verzaubernde, verklärende Kraft macht das Leben „möglich“, die „Kunst ist die Ermöglicherin des Lebens“ überhaupt."
Nietzsche glaubte, dass die Kunst eine transformative Kraft besitzt, die es dem Menschen ermöglicht, seine schmerzhaften Erfahrungen und das Leid der Welt zu sublimieren. Durch künstlerische Schaffensprozesse kann der Mensch die rohen, oft schmerzhaften Aspekte des Lebens in etwas Schönes und Erhebendes verwandeln. In einer Welt, die durch den Verlust traditioneller Werte gekennzeichnet ist – ein Zustand, den Nietzsche als „Nihilismus“ beschrieb –, bietet die Kunst eine Möglichkeit, neue Werte und Bedeutungen zu schaffen. Diese kreativen Akte sind für Nietzsche ein zentraler Mechanismus der Selbst-Erlösung, weil sie dem Einzelnen erlauben, sein eigenes Leben aktiv zu gestalten und zu interpretieren.
Die Kunst ist auch eng verbunden mit Nietzsches Idee des Übermenschen, des Individuums, das über die herkömmlichen moralischen und gesellschaftlichen Grenzen hinausgeht. In der Kunst sieht Nietzsche die Verkörperung des Übermenschlichen, da sie den Ausdruck von Visionen ermöglicht, die über das Alltägliche und Konventionelle hinausgehen.
Nietzsche argumentierte, dass nur die ästhetische Betrachtungsweise das Leben und die Welt rechtfertigen kann. In seinem Werk „Die Geburt der Tragödie“ beschreibt er, wie die griechischen Tragödien durch die Verschmelzung der apollinischen (Ordnung und Klarheit) und dionysischen (Rausch und Chaos) Elemente das menschliche Leiden in einen größeren, sinnvollen Kontext einbetten.
Die Kunst ist für Nietzsche ein wesentliches Instrument der Selbst-Erlösung, da sie es dem Individuum ermöglicht, eine tiefere, eigenständige und sinnstiftende Beziehung zur Welt aufzubauen. Sie dient als Mittel, um das Leben zu bejahen, trotz seiner inhärenten Leiden und Tragödien.