Ich sehe in der Kunstentwicklung der Moderne ein unauflösbares Paradox: einerseits konnte sie nicht mehr die Mehrdeutigkeit der Allegorien weiterführen, andererseits war ihr der radikale Verweisungscharakter auf ein rein Geistiges um den Preis ihres Endes verwehrt, wie gewisse Tendenzen der Conceptual Art der letzten Jahrzehnte zeigen.
Aus dem Dilemma der binären Struktur, das vergebliche Bemühen, das Präsentierte gleichermaßen zu identifizieren wie zu offenbaren, hat die Kunst z. T. versucht, sich in eine totale Selbstreferenz zu „flüchten“. Dass schon die Werke der diesbezüglichen klassischen Avantgarde deshalb eine Tendenz zum quasi magischen Fetisch hatten, verführte deren Apologeten, in ihnen eine religiöse, ja meditative Tendenz zu sehen, wohingegen die authentische religiöse Kunst, z.B. im Mittelalter, sich gerade durch eine unverzichtbare ternäre Struktur auszeichnete. Das religiöse Bild ist gleichzeitig Erscheinung, „Inkarnation“ wie auch Verweisung auf das Andere, das Göttliche. Die massive Drohung, zwischen der Scylla des selbstreferentiellen Fetischs und der Charybdis des Kitsches zerrieben zu werden, brachte dann einige Künstler dazu, sich nicht mehr auf ein wie immer geartetes Andere der Kunst zu beziehen: wie Realität, Wahrheit, das Erhabene, das Hässliche etc., sondern – auf andere vorgeformte Zeichen, seien sie nun allgemein massenkultureller oder spezifisch künstlerischer Herkunft. So vertrat die „konzeptuelle“ Fraktion der Pop-Art, allen voran Warhol, diese Strategie.
Ähnliches gilt für meine Arbeiten. Sie beziehen sich zuerst mittels Collagierung auf andere „Zeichen“, d.h. auf andere Bilder. Da aber diese Bilder keinesfalls „ursprünglich“, sondern selbst wieder Ausdruck bestimmter individueller und kultureller „Patterns“ sind, die erst die Realität, also die „Welt“ ausmachen, kann man hier durchaus von einem unendlichen Regress sprechen, der aber als Kunst nicht zirkulär und aporetisch ist:
Das Sichtbare der Kunst verweist qua Präsenz auf ein Unsichtbares, das wiederum auf ein Sichtbares verweist und so fort…Es handelt sich nicht um eine Refetischisierung, sondern um ein „Metabild“, um einen Ausdruck von Tom Mitchell zu gebrauchen. Damit bezeichnet dieser solche Bilder, die nicht nur „reine“ Bilder sind, sondern zusätzlich über Bilder und ihre Welt visuell reflektieren. Diese Metabilder sind „notorisch wanderlustig, bewegen sich von der populären Kultur in die Wissenschaft, die Philosophie oder die Kunstgeschichte, vertauschen eine marginale Existenz als Illustration oder Ornament mit Zentralität und kanonischer Ordnung“ schreibt W. J. T. Mitchell, einer der Begründer des "iconic turn".
Für die Herstellung solcher „Appropriations“-Kunst ist die fotografische Reproduktion – nicht nur als dazwischen geschaltetes Medium – unerlässlich. Wolfgang Ullrich hat gezeigt, dass der Umgang mit Reproduktionen zunehmend „raffinierter“ wird, und zur „besten Schule des Geschmacks“ mit einem „Sinn für Differenzen“ und einer „reich nuancierten Sprache“ führt. So spielen bei meinen „gemalten Collagen“ die Nuancierungen zwischen der Sicht des Apparats und der malerischen „Hand- und Kopf“-Arbeit eine entscheidende Rolle.
Dies führt uns zum entscheidenden Paradigma meiner gesamten künstlerischen Arbeit seit mehr als 30 Jahren – einem Paradigma, das ich nicht allein erfunden habe, sondern das zu den Essentials der Postmoderne gehört – mit wichtigen Vorläufern in der klassischen Moderne: