Pop trifft Pathos, 2025, Acryl/Collage, 48 x 33 cm
Links oben ein "Bacchus" von Caravaggio und ein männlicher, halbnackter Heiliger oder Märtyrer unten rechts, möglicherweise Johannes der Täufer.
Figuren aus Superhelden-Comics dominieren die Bildmitte. Besonders auffällig ist "Apocalypse", ein ikonischer X-Men-Schurke. Weitere Figuren im Superheldenstil.
Der Begriff „APOKALYPSE“ sowie die düsteren Comicfiguren verweisen auf eine Auseinandersetzung, einen Zustand des Umbruchs, der Zerstörung und Transformation. Im religiösen Kontext bedeutet Apokalypse Enthüllung oder Offenbarung (siehe den religiösen Asketen).
Zwischen Bacchus, Batman und Buße
Das Bild wird hier, wie oft in meinen Werken, zu einem Ort kultureller Verdichtung.
Die hier betrachtete Collage führt exemplarisch vor, wie sich verschiedene Ebenen von Mythos, Religion und Popkultur überlagern und gegenseitig kommentieren. Drei zentrale Bildelemente stehen im Mittelpunkt: Caravaggios "Bacchus" links oben, eine Reihe von Superheldenfiguren aus der Comicwelt im Zentrum, und ein christlicher Asket im barocken Stil unten rechts. In ihrer Gegenüberstellung entspinnt sich ein visuelles Spannungsfeld zwischen antiker Sinnlichkeit, moderner Heldenfiktion und religiöser Entsagung.
Caravaggios Bacchus verkörpert in der Collage weit mehr als nur ein historisches Zitat. Als Gott des Weins, der Ekstase und der Verwandlung steht er für das Dionysische, das Sinnliche und das Grenzauflösende. Gleichzeitig zeigt sich in Caravaggios Interpretation bereits eine gewisse Ambivalenz: Der jugendliche Gott wirkt blass, fast krankhaft, was den Hedonismus mit einer Vorahnung des Verfalls versieht. In der Collage tritt Bacchus als Archetypus für eine verlorene Ganzheit auf, als Relikt einer ästhetischen und mythologischen Ordnung, die in der heutigen Bilderflut fragmentiert erscheint.
Im Zentrum dominieren Superhelden das Bildgeschehen. Diese Figuren stellen die modernen Halbgötter dar: Sie sind übermenschlich, moralisch aufgeladen, zugleich verletzlich und allmächtig.
Roland Barthes würde hier von einem modernen Mythos sprechen, der vorgibt, natürlich zu sein, obwohl er kulturell konstruiert ist. Superhelden fungieren als Projektionsflächen kollektiver Ängste und Hoffnungen, als Träger moralischer Komplexe - Produkt einer Unterhaltungsindustrie.
Demgegenüber steht der christliche Asket als Symbol der spirituellen Entsagung. In der barocken Kunsttradition wird der Märtyrer zum Träger einer übersinnlichen Wahrheit. In der Collage wirkt er jedoch beinahe deplatziert: Übermalt, fragmentiert, isoliert.
Walter Benjamin könnte dies als Verlust der "Aura" interpretieren, als Hinweis auf die Unmöglichkeit des Ursprungs im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit.
Aby Warburgs Konzept der Pathosformel lässt sich auf alle drei Figuren anwenden. Bacchus, der Superheld und der Asket stehen für emotionale Extremzustände, für überzeitliche Gebärden des Menschseins. Doch in der Collage werden diese Gebärden nicht harmonisch vereint, sondern spannungsvoll übereinandergeschichtet. Die schwarze Übermalung wirkt wie ein Akt der Verweigerung, als wollte ich die ikonischen Versprechen unterlaufen, die diese Figuren traditionell mit sich bringen.
.