Der Künstler Heribert Heere ist ein Ikonograph. Dabei ist das Vorgehen seiner Arbeit von zwei wesentlichen
Komponenten bestimmt. Er analysiert Bildsprachen, indem er sich mit unseren heutigen Ikonographiesymbolen und mit unseren zeitgenössischen Ikonen auseinandersetzt.
Im zweiten Schritt schafft er aus den vorgefundenen und sezierten Bildsyntaxen eine neue Form, indem er diese verändert, wiederholt und übersteigert. Die
spezifische Ikonographie, die er zu seinen Analysen nutzt, ist uns allen sehr vertraut. Es handelt sich um die bildkünstlerischen Zeichen, Symbole und Thematiken, die in unserer heutigen Zeit am
weitesten verbreitet, am ausgefeiltesten durchdacht und am bildwirksamsten eingesetzt sind - die Zeichen, Symbole und Bilder der Werbung und der Medien.
Die Auseinandersetzung Heeres mit jenen Topoi der Werbung ist - anders als bei Andy Warhol und in der Pop-Art - nicht mit den Produkten und Marken jener Werbung
beschäftigt, als vielmehr mit den Visionen und Träumen, die sich in den Idolen unserer heutigen Zeit konzentrieren, den Personifikationen jener Utopien. Gemeint sind unsere heutigen Idole, die
Mannequins, die Models, wie Claudia Schiffer und andere.
In diesem Kontext ist Heribert Heere durchaus nicht nur ein kritisch-ironisch Prüfender, sondern auch ein konsumierend Bewundernder, der sein „Fundmaterial“ in den
Hochglanzbroschüren der Luxusklasse sucht und findet. Die Werbefotos mit ihren fast überzeichnenden, akkuraten Gestaltungsentwürfen nimmt er zum Anlass, Bildfindungen zu entwickeln, die jenen
ikonenartigen Ansatz nicht nur erklären, sondern in ihrer Überzeichnung als Bild-Ikonen neu schaffen.
Dabei ist das, was entsteht, zur gleichen Zeit vertraut und fremd. Die Bilder, die uns auf den ersten Blick aus dem Kontext von Werbestrategien und
Frauenzeitschriften bekannt erscheinen, werden nicht enträtselt, sondern, ganz im Gegenteil, verschlüsselt und einer Form zugeführt, die das Geheimnis hinter ihnen, die Imagination, thematisiert, die
wir mit jenen Idolen verknüpfen und die Ausdruck jener kultischen Qualität ist, die in den Medien heute besetzt wird. Heribert Heere mystifiziert das Bild erneut. Er gibt ihm jene Kraft zurück, die
es immer besessen hat und immer besitzt.
Das Bild wird wieder zur Ikone und das Idol der Darstellung zur rätselhaften Vision einer überzeitlichen Sprache.
(1996)