Wenn nach Heidegger ausschließlich der Kunst das Ins-Werk-Setzen der Wahrheit vorbehalten ist und wenn Philosophie sich vorrangig mit der Wahrheit (oder dem „Wahr-Sprechen“) beschäftigt, dann lässt sich Kunst als Philosophie (R.B.Pippin) begreifen.
Nun ist es dem zeitgenössischen Künstler selbstverständlich nicht erlaubt, sich auf dieses Diktum Heideggers zu berufen – es sei denn, er setze sich der Lächerlichkeit aus – und konkurriere mit Werken wie dem griechischen Tempel und Künstlern wie Hölderlin oder van Gogh. Und dennoch kann er auf Eines Anspruch machen, das einer solchen These überhaupt zugrunde liegt, nämlich eine „Intelligibilität“ von Kunst.
Wenn also jene Intelligibilität eine grundsätzliche Eigenschaft von Kunst allgemein und der modernen Kunst im Besonderen ist, dann muss es doch bitteschön dem Künstler nicht nur erlaubt, sondern auch geboten sein, sich auch im Medium des diskursiven Textes (sofern er dessen mächtig ist), mit seiner Kunst im weitesten Sinn zu beschäftigen. Nun pfeifen es die Spatzen von allen Dächern (jüngst in der „Kunstzeitung“ 04/13 der renommierte Kunstwissenschaftler Wolfgang Ullrich, der „trotz Benjamin-Kult und Warburg-Verehrung den Überdruss des Kunstbetriebs“ mit deutlicher Sympathie konstatiert, so als wären Theorien mit ihrer „vagen Sehnsucht nach mehr Sinn und etwas Pathos“ bestenfalls etwas altväterlich Nostalgisches und letztlich wie angesammelter Müll zu entsorgen), dass nicht nur Theorien im Kunstbetrieb, sondern vor allem für Künstler mega-out sind. Insbesondere der theoretisierende Künstler wirkt wie ein angegrauter Hans-Wurst, der wie der benjaminsche theologische Zwerg unterm Tisch hockt und „bekanntlich klein und hässlich ist und sich ohnehin nicht darf blicken lassen“. Theoriefetzen werden nur mehr in ihrer allerkrudesten Form angehenden Künstlern nachgesehen.
Ich will gar nicht darauf verweisen, dass die Kunstwissenschaft sich noch in jüngerer Vergangenheit durchaus zu ihrem Erkenntnis-Vorteil auf die Theorien von Künstlern, wie im Falle Mondrian, berief und dabei eine lange Periode konstruktivistischer Fehldeutung und Engführung korrigierte und auch nicht auf die Entdeckung von „Pathosformeln“ und „Denkbildern“ durch Warburg (die in der Diktion von Ullrich wohl nun endlich mit einer „vagen Sehnsucht“ erledigt sind), sondern deutlich machen, dass die zu recht konstatierte Theoriefeindlichkeit des Kunstbetriebs selbst etwas ist, wo Aufklärung in puren Mythos umschlägt (Adorno). Keine Rede mehr von der Verflüssigung erstarrter Kunstruinen durch „dialektische Bilder“ (Benjamin), keine Selbstreflexivität von Kunst im Sinne von „Metabildern“ (Mitchell), keine permanente Metamorphose (Warburg)…
Damit schlägt Coolness in Fetischisierung um, was durchaus apart sein kann. Man sollte sich nur auch dazu bekennen und die rabiaten Konsequenzen einer solchen „Reinigung“ und „Entmythologisierung“ freudig akzeptieren.
Eine solche Kunst hat allerdings keinen Anlass mehr, ihre Wahrheitsfähigkeit zu thematisieren!
(2013)