Ihr seht hier Arbeiten aus zwei neuen Serien
Beiden Serien gemeinsam ist eine märchenhafte und mythologische Thematik, wozu ich auch
bestimmte christliche Bildkomplexe rechne.
Ich habe schon seit Beginn meiner künstlerischen Tätigkeit dreidimensional gearbeitet – so bestand meine erste Einzelausstellung 1977 in der Produzentengalerie Adelgundenstraße in München aus minimalistischen Holzskulpturen. Ähnliche Arbeiten wie die hier gezeigten stellte ich auch vor 10 Jahren in Landshut in der Rathausgalerie aus.
Seit Anfang dieses Jahres (2014) entstanden in rascher Folge diese neuen Skulpturen, von denen ich eine Auswahl unter dem Titel „Mythologien“ hier präsentiere.
Beim ersten Betrachten werden sich vielleicht Einige fragen: Nur ein Spiel? Vielleicht. Aber immerhin eins, das die Welt selbst zum Gegenstand nimmt – ein Welt-Spiel also, wie wir es schon aus einem Fragment des Vorsokratikers Heraklit kennen:
Die Weltzeit (gr. aion, auch „Ewigkeit“) ist ein spielendes Kind, die Brettsteine hin- und herschiebend – das Königreich des Kindes. (fr. 52)
Im Kleinen, im Kitsch, im kommerziellen massenhaft hergestellten Spiel-Zeug scheint mir etwas möglich, was Heidegger einmal „Die Wahrheit der Kunst“ genannt hat.
Kitsch als negative Kategorie hatte nur zu einer Zeit Sinn, als es noch eine funktionierende Hierarchie einer Hoch- und einer Niedrig-Kunst gab. Nicht umsonst wird der Begriff des Kitsches erst dann problematisiert, als dieses Verhältnis in die Brüche zu gehen begann.
Dies ist keine Katastrophe, finde ich, da sich herausgestellt hat, dass man auch ohne solche prästabilierte Hierarchien sich um eine Kunst bemühen kann, die sich mit der Welt befasst.
Für unser Thema „Mythologien“ brauche ich also keine „neue Mythologie“ zu erfinden (wie sie emphatisch 1797 im ältesten Systemprogramm des deutschen Idealismus von den Jungspunden Hegel, Hölderlin und Schelling eingefordert wurde), muss keine esoterischen Rituale durchführen (wie sie u.a. ganz ernsthaft von einem Kreis um Georges Bataille als Geheimgesellschaft mit dem bezeichnenden Namen „Acephale“ (Kopfloser) in den nächtlichen Wäldern um Paris in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts zelebriert wurden) und kann auch darauf verzichten, mich den diversen New- und Old Age Sekten anzuschließen.
Nein, ich finde die neuen Mythologien auf Flohmärkten, in unendlich vielen Webseiten oder in den täglich verteilten opulenten Gratis-Prospekten. Dies ist keine bloße Schrulle von mir – in fast allen relevanten Neuzeittheorien wird betont, dass Aufklärung, die einst angetreten ist, die Menschheit vom dunklen Mythos hin zum taghellen Logos zu erlösen, in der Moderne dazu tendiert, selbst wieder in Mythos umzuschlagen.
Noch einige kurze Worte zu den Bildobjekten mit dem übergeordneten Titel „Die Schöne und das Biest“:
„Nein, mein liebes Tier, Ihr dürft nicht sterben“ ruft die Schöne aus, gibt dem Begehren des Biests endlich nach und – oh Wunder – das Tier verschwindet und zu ihren Füßen erblickt sie einen Prinzen, schön wie Amor, der ihr dafür dankt, dass sie ihn aus seiner Verzauberung erlöst habe.
In der märchenhaften Diktion des 18. Jahrhunderts der Autorin Leprince de Beaumont, die auf ältere Motive der Tiermetamorphosen, etwa im „Goldenen Esel“ des Apuleius, zurückgreift, entdeckt die Schöne nicht das Tier im Manne, sondern den Mann im Tier. Besonders die Fabelwesen sind nur in ihrem Werden, in ihren Metamorphosen, wie sie in den frühen Kulturen gang und gäbe waren, zu bergreifen. Gerade die Monster der Vormoderne vermögen das Bedrohliche und Unheimliche auszudrücken und erscheinen in meinen Arbeiten folglich nicht in ihrer heutigen high-tech digitalisierten Hyperrealität, sondern als ironisches Bild mit all seinen Verweisungcharakteren.
Das Unheimliche ist ja nach Freud nichts Anderes als das Heimliche, das bis in unserer Kindheit hineinreicht.
Das Unheimliche des Monsters ist eine Maskerade und die Maske ist das fleischgewordene Chaos.
Die Metamorphose in ihrem ewigen Werden ist das zentrale Thema meiner Collagen und Montagen.
Im Spiel des Künstlers, der oft als experimenteller Bastler auftritt, wird etwas aufs Spiel gesetzt, nicht nur die eigene Existenz, sondern mehr noch – die fertige Welt. Diese erscheint in meinen „Weltmodellen“ mit ihren vielen „unmöglichen“ Kombinationen und Konnotationen als ironisches Chaos, als brodelnde Ursuppe. Incipit parodia…