In der „tropischen Insel“ vereinigen sich mehrere Phantasmen, wie weiße, mit Palmen gesäumte Traumstrände und warmem klaren türkisgrünen Wasser. Erstaunlicherweise ist es manchmal tatsächlich so, wie man sich es erträumt hat, wie ich selbst in einem längeren Aufenthalt in Costa Rica erleben konnte. Wie ich hörte, soll es in Costa Rica eine Population von einigen Dutzend Jaguaren geben. Natürlich habe ich dort keine dieser scheuen Wildkatzen zu Gesicht gekommen. Tukane, Papageien und Affen, sowie eine tropische Flora gehören in den ländlichen Regionen dagegen zum alltäglichen Bild.
Einige meine Gemälde und Collagen sind nach Fotos entstanden, die ich dort machte, bei anderen Arbeiten habe ich die KI von Midjourney benutzt. Dadurch entsteht ein gewisser Bruch.
Meine Idee ist dabei die einer Wildnis, die in einem Zusammenspiel mit der modernen Welt sich entfaltet, ohne dabei ihre Natur zu verlieren, was vielleicht utopisch ist, aber machbar
Auch wenn man über die Probleme des Klimawandels, der gefährdeten Ökosystem und die vielfältigen sozialen Spannungen Bescheid weiß, bleiben die Inselträume, die schon wie in den Irrfahrten des Odysseus vor knapp 3000 Jahren manchmal zu bösem Erwachen führen, auch wenn es dort keine Lotosesser, Zauberinnen, die Männer in Schweine verwandeln, todbringende Sirenen oder sonstige Monstren gibt. Wie Odysseus, der schließlich doch wieder in seiner „Heimat“ landete, hat auch der heutige Tourist seine Rückfahrkarte aus dem Paradies auf seinem Smartphone gespeichert.
Mit der Verwendung von knuffigen Ungeheuern und Cartoons kommt ein gewisser parodistischer Zug ins Bild, der Theatralität und Distanzierung beinhaltet. Mit dieser satirischen und teilweise grotesken Überzeichnung wird nun in diesen meinen Arbeiten ein spielerisches Moment thematisiert. Das muss kein Widerspruch zu durchaus ernsten Problemen sein; genau so wie die Komödie oft nicht weit von der Tragödie entfernt ist. Pointiert könnte man sagen, dass hier die Parodie selbst parodiert wird.
Bei einem Teil dieser Bilder habe ich die KI von Midjourney benutzt, mehrmalig überarbeitet und transformiert.
KI
Ich lernte die Möglichkeiten von KI-Bildsystemen im Frühjahr 2023 kennen (DALL E2, Midjourney). Für mich hat die bildgenerierende KI, die ich überarbeitet für meine Gemälde und Collagen ab und zu benutze, nach wie vor eine Faszinationskraft und zugegebenermaßen auch eine gewisse Dämonie. Das Problem von Wirklichkeit und Fake, das besonders heute angesichts der Bildgenerierung mit KI immer wieder angeführt wird, gibt es seitdem die Menschen Bilder hatten, also seit mindestens 50000 Jahren. In der archaischen Bildmagie, die heute selbst in unserem westlichen Kulturkreis noch virulent ist, können Bilder belebt bzw. das sein, was sie sonst nur darstellen, etwa magische Tiere. Bei der technisch vermittelten Bildherstellung, wie bei der Fotografie, war es gang und gäbe zu retuschieren – z.B. poltitisch unliebsame Personen später wegzuretuschieren.
Die Künstler haben immer die jeweils neuesten technischen Möglichkeiten genutzt. Warum sollen sie das angesichts der KI nicht tun? Dadurch werden Artefakte weder besser noch schlechter.
Gott schuf den Menschen bekanntlich „nach seinem Bilde“ (1.Mose 1,27).
In der Tat kann der bildgenerierende Textbefehl schon etwas unheimlich Demiurgisches an sich haben. Gott hat in gleichem Atemzug sich dringend verbeten, dass diese Menschen abbilden, d.h. in ihren Bildwerken etwas repräsentieren, was dann selbst magisch bzw. göttlich aufgeladen sein könnte (2.Mose 20). Der alttestamentarische Gott war ein höchst eifersüchtiger, vor allem, wenn man sich seine Genese aus einem ursprünglichen Vulkangott innerhalb eines mannigfaltigen Götterpantheons vor Augen hält.
In seinem Kunstwerk-Essay aus den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts unterscheidet Walter Benjamin zwischen dem klassischen auratischen Kunstwerk und der Fotografie bzw. dem Film („Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“). Diese technisch reproduzierten Werke seien nicht mehr auratisch, was von Benjamin emphatisch gefeiert wird. Auch wenn wir in dieser Hinsicht heute eher skeptisch sind, dürften Benjamins strukturelle Überlegungen nach wie vor hilfreich sein. Das technische KI-generierte Bild packt da natürlich noch eine Schippe drauf.
Im Kern dürfte es für das Kunstwerk nach wie vor darum gehen, seine Präsenz nicht nur zu präsentieren, sondern auch zu re-präsentieren, was auf eine Auratisierung des Nicht-Auratischen hinausläuft.