Gemälde

Cutie 01, 2024, GIF

 

Im Gemälde „Cutie“ zeigt sich eine Spannung zwischen heiteren, kindlich wirkenden Motiven und grotesker Verzerrung. Die Figuren erinnern an Spielzeug und Cartoon-Ästhetik, gleichzeitig brechen sie durch übersteigerte Mimik und unruhige Farbflächen in ein Gebiet des Bedrohlichen ein. 

 

Von der Pop-Art über Street Art bis hin zur zeitgenössischen Horror-Ästhetik finden sich Spuren in der Bildsprache von "Cutie 01".

Philosophisch betrachtet lässt sich das Werk über Freuds Begriff des Unheimlichen deuten. Das scheinbar Vertraute, das Kindchenschema des Hasenwesens oder das cartoonhafte Lächeln, kippt in eine fremde, verstörende Erfahrung. Die Gif-Animation verstärkt dieses Moment, indem sie den Eindruck erweckt, eine defekte Maschine sei am Werk. Das „Lebendigwerden“ der Malerei wirkt nicht vital, sondern wie ein digitaler Glitch, ein Fehler im System, der das Heimliche in seiner verformten Gestalt zurückkehren lässt. Auch Baudrillards Theorie der Simulation bietet eine Lesart: „Cutie“ verweist nicht mehr auf ein reales Gegenüber, sondern auf kulturelle Codes – auf Comicfiguren, Maskottchen, digitale Pop-Ästhetik. In der Gif-Schleife, die endlos wiederkehrt, entsteht eine Hyperrealität, die sich vollständig im Reich der Zeichen abspielt und keinerlei Bezug zu einer materiellen Realität mehr benötigt.

 

Damit stellt „Cutie“ nicht nur Fragen nach der Ästhetik des Grotesken, sondern auch nach der Zukunft der Malerei im digitalen Zeitalter. Der Pinselstrich, traditionell als Ausdruck von Stillstand und Verdichtung der Zeit verstanden, verliert im Gif seine Ruhe. Malerei verwandelt sich in Bewegung, in ein unendliches Flackern, das dem Rhythmus digitaler Bilderwelten entspricht. Statt kontemplativer Betrachtung wird der Betrachter mit permanenter Überforderung konfrontiert, einer Erfahrung, die die Bildkultur unserer Zeit präzise widerspiegelt.

 

„Cutie“ zeigt so die doppelte Spannung, die unsere Gegenwart prägt: das Niedliche, das ins Unheimliche kippt, und die Malerei, die im digitalen Raum in einen neuen Aggregatzustand übergeht. Es ist ein Werk, das auf irritierende Weise das Süße monströs werden lässt.

 

Gilles, 2024, Öl/Leinwand, 120 x 100 cm 

 

Der „Gilles“, jene entrückte, bleiche Figur aus Antoine Watteaus gleichnamigem Gemälde von ca. 1718, steht exemplarisch für die Ambivalenz zwischen Darstellung und Dasein, zwischen Bühne und Sein. In meinem Bild, das sich dieser ikonischen Figur erneut annähert, erfährt der Gilles eine Transformation: Er wird aus der barocken Schwebe des Rokoko herausgelöst und in ein Szenario überführt, das ganz der Sprache der Gegenwart gehört – malerisch, expressiv, hybrid.

 

Pierrot oder „Gilles“, der traurige Clown und Harlekin gehört zu dem Zug höllischer Gestalten, die den Monarchen der Verrückten, den Blasius oder König des Karnevals im Zyklus der Karnevalsfeste begleiten, die im christlichen Europa frühzeitig an die Stelle der heidnischen Saturnalien traten.

 

Der grinsende Pop-Frog – wie ein Krokodil aus dem Kasperletheater – konfrontiert den stillen Gilles mit der lauten Welt der Popkultur. Hier kreuzen sich Kindheit und Kunstgeschichte, Bühne und Wirklichkeit, Spiel und Schicksal.

Gilles wird zum Trickster, zum Joker des Bildes: verletzlich und verspielt, ironisch und visionär.

Er verkörpert den Künstler selbst – als jemanden, der Masken wechselt, Bedeutungen verschiebt und aus disparaten Fragmenten neue Wirklichkeiten beschwört.

 

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