Pulcinella, ein archetypischer Charakter der Commedia dell’arte, wird in diesem Kontext zu einer komisch-tragischen Reflexionsfigur über Ordnung und Unordnung, Zeitlichkeit und Auflösung. Seine Ursprünge reichen zurück in die antike Komödie, sein Erscheinungsbild – bucklig, bauernschlau, mit Halbmaske und übergroßer Hakennase – symbolisiert die karikaturhafte Verzerrung menschlicher Eigenschaften. In der Bildtradition des 18. Jahrhunderts steht Pulcinella für eine kulturelle Tendenz zur „Verkarnevalisierung“, in der die theatrale Maske nicht mehr nur Figur, sondern kulturelles Symbol wird.
Der Karneval wird, wie Michail Bachtin es formulierte, zur „Zeit des Dazwischen“, einem Moment, in dem sich die etablierte Ordnung ins Gegenteil verkehrt. Diese Zwischenzeit, die weder der alten noch der neuen Zeit eindeutig zuzuordnen ist, wird zum Ort der „verkehrten Welt“. Die Maske Pulcinellas verweist damit auf ein kulturelles Prinzip des Übergangs und der Grenzauflösung.
Florens Christian Rang hat den Karneval als „dionysisches Opferfest“ gedeutet, in dem sich „der Ordnung, die aus dem gestirnten Himmel stammt, rauschhaft Hohn“ gelacht wird. Diese temporäre Umkehrung der Ordnung verweist auf eine existentielle Dimension des Karnevals, in der das Individuum sich als Teil eines kosmischen Spiels begreift, das zwischen Chaos und Kosmos pendelt.