Zeit-Raum-Spiel 11, 2007, High Quality Print, 100 x 70 cm
Mein Bild „Höllenfahrt mit Aussicht“ wirkt auf den ersten Blick wie ein visuelles Amalgam aus kunsthistorischen Fragmenten, digitalem Chaos und surrealer Ironie. Es vereint scheinbar unvereinbare Elemente: eine klassische Renaissance-Figur, religiöse Ikonografie, bestialische Kreaturen und eine majestätische Alpenlandschaft. Der Titel verspricht eine Fahrt in die Tiefe, nicht ohne dabei einen Panoramablick zu genießen.
Die Komposition ist geprägt von einer dichten Überlagerung bildlicher Zitate, dramatischer Körperhaltungen und widersprüchlicher Stilmittel. Die dominanten Farben – blutiges Rot, kaltes Blau, erdiges Braun – erzeugen eine Atmosphäre, die zwischen sakraler Erhabenheit und apokalyptischer Bedrohung changiert.
In der unteren Bildhälfte erkennt man in der Mitte eine Figur, den hl. Michael darstellend – aus dem Flügelaltar "Das Jüngste Gericht" von Roger van der Weyden. Seine Gelassenheit kontrastiert radikal mit dem restlichen Bildraum, in dem eine andere Figur – möglicherweise Christus oder ein Märtyrer – verrenkt, entblößt und scheinbar von Tieren zerrissen wird. Diese Szene ist eingerahmt von einer roten Draperie (der untere Teil einer Christus-Figur), die wie ein Bühnenvorhang herabfällt, als würde sich vor den Betrachtern eine grausame Theatralik entfalten.
Inmitten dieses Gewirrs: eine realistische Schneelandschaft, durchzogen von Spuren eines Skifahrers. Das moderne Motiv der Freizeitgestaltung erscheint grotesk deplatziert in diesem dramatisch-symbolischen Kontext.
Die Anspielung auf Hölle und Jüngstes Gericht wird durch ein feuerspeiendes Ungeheuer und ein Monster im Stil von Hieronymus Bosch nahegelegt.
Im mittleren Altarbild von Roger van der Weyden wägt der hl. Michael (unten in der Collage) die Seelen, die sich dem Jüngsten Gericht stellen müssen und die entweder in die Hölle oder ins Paradies geschickt werden.
Gleichzeitig bedient sich das Bild moderner Bildsprachen: Fotorealistische Tiere, Elemente digitaler Manipulation und die Darstellung einer Skipiste im verschneiten Gebirge bringen zeitgenössische Populärkultur und touristische Realitäten in das visuelle Tableau.
Der Titel des Werks „Höllenfahrt mit Aussicht“ dient nicht nur als ironischer Kommentar, sondern als semantisches Prisma, durch das sich das gesamte Bild interpretieren lässt. Die „Höllenfahrt“ verweist auf existentielle Abgründe: seelische Qual, gesellschaftlichen Verfall, ökologische Zerstörung – aber auch auf die christlich-mythologische Dimension von Schuld und Sühne.
Die „Aussicht“ hingegen bricht diese Dramatik – sie evoziert Genuss, Distanz, vielleicht sogar Ignoranz. Wer eine Aussicht genießt, befindet sich meist in sicherer Höhe, fern vom Geschehen - wie die Betrachter dieses Bildes.