Was ist Schönheit? Diese Frage begleitet die Kunst seit ihren Anfängen, doch kaum eine Zeit war von so radikalen Verschiebungen im Schönheitsdiskurs geprägt wie die Gegenwart. Zwischen algorithmisch kuratierten Idealen auf Social-Media-Plattformen, postfeministischen Empowerment-Narrativen und der Dekonstruktion normativer Körperbilder durch queere und postkoloniale Theorie entfaltet sich eine neue, fragmentierte Ästhetik: fluide, ambivalent, widersprüchlich. In diesem Spannungsfeld verortet sich die vorliegende Serie von Collagen und Gemälden, die den Begriff „Schönheit“ nicht als feststehendes Ideal, sondern als visuelles Spannungsfeld verhandeln – zwischen Begehren und Kritik, Zitat und Zersetzung, Oberfläche und Subtext.
Meine "Schönheits"-Arbeiten operieren mit Zitaten aus der Kunstgeschichte, aus der Werbung, aus der Popkultur – eine Ästhetik des Sampling, der Collage, der bewussten Reibung. Die "Schönheiten", die hier gezeigt werden, sind keine passiven Objekte der Betrachtung, sondern mediale Chimären: Göttinnen aus der Renaissance tauchen auf neben Modelgesichtern mit Hochglanzlippen, eingebettet in eine Landschaft aus Farbfeldern, Labyrinthen, mythologischen Andeutungen und grotesken Dämonen. Diese Bildsprache evoziert nicht nur das Spannungsfeld zwischen Ideal und Verfall, zwischen klassischem Schönheitsbegriff und moderner Überinszenierung, sondern macht auch den Akt des Betrachtens selbst zu einem kritischen Prozess. Schönheit wird zum Zitat – und zum Zerrbild.
Besonders auffällig ist dabei die intermediale Spannung zwischen Malerei und Collage. Während die gemalten Porträts in expressiver Manier die individuelle Präsenz der Dargestellten betonen, konterkarieren die Collagen diese Präsenz mit einer hypermedialen Zersplitterung des Körpers und des Gesichts. Die „Schönheiten“ verlieren ihre Kontur, sie werden überlagert, fragmentiert, durchkreuzt von Farbe, Form, Geschichte. In diesen Bildwelten wird das vermeintlich Schöne nicht gefeiert, sondern untersucht, seziert, herausgefordert.
Diese Strategie lässt sich als bewusste Antwort auf den Schönheitsimperativ lesen, der Körper und Gesichter zunehmend in standardisierte, digital verformbare Oberflächen transformiert. In der postindustriellen Ära der Selbstoptimierung sind Schönheit und Sichtbarkeit untrennbar miteinander verwoben – und werden zugleich von einem digitalen Blick reguliert, der normiert, sortiert, auswählt. Der konstruierte Blick der Kamera, der Filter, der Retusche wird hier durch die analoge Geste der Malerei, des Schnitts und des Übermalens irritiert. Die Werke setzen Widerstand gegen die Vereinheitlichung der Ästhetik, ohne sich in bloßer Negation zu erschöpfen.
Stattdessen zelebrieren sie die Ambivalenz des Schönen. Schönheit erscheint hier nicht als abgeschlossener Zustand, sondern als Prozess – verführerisch und gefährlich zugleich. In den überzeichneten Blicken, den überbelichteten Mündern, den mythologischen Andeutungen tauchen archetypische Bilder des Begehrens auf, die zugleich in groteske Verzerrung überführt werden. So erinnert etwa die Verbindung von Pop-Ästhetik mit Höllenszenarien (wie sie in den Anlehnungen an Hieronymus Bosch zu finden sind) daran, dass das Schöne immer auch das Unheimliche, das Verdrängte, das Abgründige in sich trägt.
In dieser künstlerischen Reflexion über „Schönheiten“ wird das ästhetische Objekt zu einem politischen. Die Werke laden ein zur Auseinandersetzung mit unserer Blickökonomie, mit medialen und historischen Konstruktionen von Weiblichkeit, mit Körperbildern, die zwischen Verklärung und Kontrolle oszillieren. Sie verweigern die einfache Lesbarkeit – und fordern den Blick des Betrachters heraus, sich in einem Labyrinth aus Geschichte, Oberfläche, Wunsch und Kritik neu zu orientieren.