Skulpturen

 

Meine neuen Skulpturen verdanken sich unter anderem meinem Interesse für Votivgaben. Vermutlich waren überhaupt die ersten Kunstwerke Votivgaben.

Für diese ist die Vorstellung eines Bildzaubers kennzeichnend.

In der modernen Welt scheint der Bildzauber nur mehr für esoterische Randgruppen bedeutend.

Die früheren mythologischen Welten haben wir abgeschafft.

Es steht aber in Frage, ob nicht avancierte Technik und Wissenschaft selbst auch mächtige Mythen darstellen, getrieben von der Sehnsucht nach einem neuen Irdischen Paradies, von dem allerdings die Apokalypse nicht fern ist.

Ich montiere in diesen Arbeiten triviale Figuren aus "Erinnerungsräumen" und moderner Massenkultur zu einer Weltmontage des Imaginären.

Nur ein Spiel? Vielleicht. Aber immerhin eins, das die Welt selbst zum Gegenstand nimmt – ein Welt-Spiel also, wie wir es aus einem Fragment des Vorsokratikers Heraklit kennen:

„Die Weltzeit (gr. aion, auch „Ewigkeit“) ist ein spielendes Kind, die Brettsteine hin- und herschiebend – das Königreich des Kindes.“ (fr. 52)

Im Kleinen, im Kitsch, im kommerziellen, massenhaft hergestellten „Zeug“ scheint mir als Kunst ein Stück Wahrheit verborgen.

Kitsch als negative Kategorie hatte nur zu einer Zeit Sinn, als die Hierarchie von Hoch- und Niedrig-Kunst noch funktionierte. Nicht umsonst wurde der Begriff des Kitsches erst dann problematisiert, als dieses Verhältnis in die Brüche zu gehen begann.

Für die Mythologien, die für diese Skulpturen (und für viele andere meiner Arbeiten) thematisch sind, brauche ich keine neue Mythologie zu erfinden (wie sie emphatisch 1797 im „ältesten Systemprogramm des deutschen Idealismus“ von den noch jungen Hegel, Hölderlin und Schelling eingefordert wurde), muss keine esoterischen Rituale durchführen (wie sie ernsthaft von einem Kreis um Georges Bataille als Geheimgesellschaft mit dem bezeichnenden Namen „Acephale“ (Kopfloser) in den nächtlichen Wäldern um Paris in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts zelebriert wurden) und kann auch darauf verzichten, mich den diversen New- und Old Age Sekten anzuschließen.

Nein, ich finde die neuen Mythologien auf Flohmärkten, in unendlich vielen Webseiten oder in den täglich verteilten opulenten Gratis-Prospekten – natürlich auch in den vielen wunderbar bebilderten Kunstdruckbüchern, die für mich ein unschätzbares Archiv darstellen. Damit trage ich zu der These bei, dass Aufklärung, die einst angetreten ist, die Menschheit vom dunklen Mythos hin zum taghellen Logos zu erlösen, in der Moderne dazu tendiert, selbst wieder in Mythos umzuschlagen[1].

 

 

[1] Wie in Adorno/Horkheimers „Dialektik der Aufklärung“ ausgeführt wird. 

Heribert Heere

KÜNSTLER

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