Vera Ikon, 2005, Öl auf Leinwand, 200 x 160 cm
Die gemalten verdoppelten Christusköpfe nach El Grecos "Veronika" verweisen einerseits auf das postmoderne Konzept der Verdoppelung, wie es Jean Baudrillard entfaltet hat, andererseits auf das zentrale Erlösungsparadigma des Christentums.
Baudrillard argumentiert, dass in der postmodernen Gesellschaft die Simulakren (Kopien, Trugbilder) die Vorherrschaft über die ursprünglichen Realitäten gewinnen. Diese Simulakren sind nicht einfache Kopien der Realität, sondern eigene Entitäten, die als realer als die Realität selbst wahrgenommen werden können. Er beschreibt dieses Phänomen als Hyperrealität, in der Abbilder bzw. Modelle der Realität zur Realität selbst werden und somit die Grenzen zwischen dem Realen und dem Imaginären sich auflösen.
Die Verdoppelung, die gleichzeitig fasziniert und abstößt, ist daher ein zentrales Element in Baudrillards Theorie. So interpretiert er etwa die terroristische Zerstörung der identischen Twin-Towers des New Yorker World Trade Centers auch als Angriff auf das postmoderne Konzept der Verdoppelung.
Ich sehe in der Verdoppelung des Christuskopfes einen Hinweis auf zwei kulturell höchst bedeutsame Erlösungskonzepte: einmal das des Christentums, das die westliche Welt entscheidend prägte sowie das der aktuellen medial vermittelten globalisierten Welt, die auch tendenziell Erlösungssehnsüchte befriedigt oder dies vorgibt.
Die "Medusa Rondanini" in der Münchener Glyptothek diente mir als Bildquelle für meine gemalte Medusa
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Der Mythos der Medusa, deren Anblick versteinert, hat bis heute in Kunst und Literatur zahlreiche komplexe Deutungen erfahren.
Was mich immer an der Medusa fasziniert, ist die Macht des Blicks. Sehen und Gesehenwerden sind mächtige, oft gefährliche Akte. In vielen Kulturen gibt es den Glauben an den "bösen Blick", der Unglück bringen kann. Die Versteinerung könnte als eine Rückführung des organischen Lebens ins Anorganische gesehen werden, wie sie Freuds Todestrieb beinhaltet.
Die Versteinerung ist aber die materielle Grundlage der meisterhaften bildhauerischen Leistung, die, wie hier bei der Medusa Rondanini, den "toten" Marmorstein in das imaginäre Leben der Kunst verwandelt.
Diese Magie des Ab-Bildes könnte bei aller Gegensätzlichkeit das Gemeinsame sein, das zwischen dem "Abdruck" des Bildes des toten Christus und dem antiken faszinierend häßlich-schönen Bild der Medusa besteht.
So wurde das Bild der Medusa an Tempeln, aber auch an antiken Wasserleitungen als Abwehrzauber verwendet.
Vielleicht hat jede Gestaltung des Dämonischen und Schrecklichen auch diese "apotropäische" Funktion.
Im Übrigen gibt es auch im Alten Testament die Vorstellung, dass Gott nicht mit menschlichen Augen angesehen darf, wenn er Moses als brennender Dornbusch erscheint (Ex 3,1 bis 4,17).
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