Gilles, 2023, Öl/Leinwand, 120 x 100 cm
Die Referenz für dieses Gesicht links oben ist Watteaus „Pierrot“. Mein „Pierrot“ ist eingetaucht in eine Welt voller farbiger, malerischer, abstrakter Zeichen. Das Gesicht wirkt jung, der Ausdruck schwer definierbar, ein wenig irreal trotz der Körperlichkeit.
Künstlerische Bilder leben von der Dialektik einerseits ihrer „Real-Präsenz“, ihrer „Präsentation“ und andererseits von ihrem Zeichencharakter, der auf etwas außerhalb verweist. Auch wenn das autonome Kunstwerk seinen Zeichencharakter abzustreifen versucht wie eine Fessel und auf der „reinen“ Präsenz besteht, wie ein Ding aus einer anderen Welt, bleibt es doch untrennbar verbunden mit seinem Verweisungscharakter. Und dennoch: einmal wird die Fessel abgestreift – und reine Präsenz und Bedeutung vereinigen sich aufs Schönste!
Pierrot oder „Gilles“, der traurige Clown und Harlekin gehörte zu dem Zug grotesker Gestalten, die einst die Karnevalsfeste begleiteten, die im christlichen Europa frühzeitig an die Stelle der heidnischen Saturnalien traten.
Der Comic-Hinter- und Vordergrund, „Gilles“ und der Cartoon-Frosch: Es geht um dieses Spiel der Fiktionen, der Ähnlichkeiten und Unähnlichkeiten, der Simulationen und Dissimulationen. Und warum sollen wir uns hier nicht in das Reich des Volkstheaters entführen lassen, das weit in die Harlekinaden der Kulturen reicht?
Pizza, 2023, Öl/Leinwand, 120 x 100 cm
Friedrich Nietzsche hat sich selbst als einen „den letzten Jünger und Eingeweihten des Gottes Dionysos" bezeichnet. Er schuf einen kulturell bedeutsamen Neo-Mythos, den er u.a. mit der „ewigen Lust des Schaffens“ begründete: „Das Alles bedeutet das Wort Dionysos: ich kenne keine höhere Symbolik als diese griechische Symbolik, die der Dionysien. In ihr ist der tiefste Instinkt des Lebens, der zur Zukunft des Lebens, zur Ewigkeit des Lebens, religiös empfunden" (Götzendämmerung).
Das Dionysische hat jedoch im Allgemeinen keine besonders gute Reputation. Zu sehr gelten seit langem Dionysos bzw. Bacchus (lateinisch) und die ihn begleitenden Satyrn und vor allem der Obersatyr, Silen, als weinselige, dickbäuchige Gesellen. Darauf hat man ihre Herkunft aus dem Dunkel der Geschichte als ekstatische, überbordende Naturwesen reduziert, nicht zuletzt vermittels entsprechender Kitsch-Darstellungen im 19. Jahrhundert. Aber entsprechende Bilder gab es in der Hochkunst schon früher. Ich erinnere an Rubens‘ Gemälde „trunkener Silen“ und „Zwei Satyrn“ in der Münchener Alten Pinakothek.
Ganz unexzessiv habe ich in meinem Ölbild „Vesuvio“ die zwei Satyrn von Rubens als Bildquelle zusammen mit einem Pizzabäcker vor der malerischen Kulisse des Vesuvs und des Golfes von Neapel mit einer klassischen Theatermaske rechts unten in Szene gesetzt.
Wer teilt sie nicht, die Italiensehnsucht!
Die Satyrn, jene wilden Kerle, ehemals Naturgottheiten, pflegten in mythischen Zeiten die um die heiße Mittagszeit ermatteten Hirten durch ihr plötzliches apotropäisches Erscheinen zu erschrecken. Meistens beruhigten sie sich aber wieder und bliesen ihre „Pansflöte“.
Die Verwendung einer Theatermaske in diesem Gemälde könnte auf meinen spielerischen Umgang mit der theatralischen Natur des täglichen Lebens hinweisen, in dem auch viele kulturelle Traditionen eine Rolle spielen.