Fantasy 1

Die Hand, 2024, High Quality Print auf Dibond, 100 x 70 cm

 

Die Hand stammt aus der „Verkündigung“ von Antonello da Messina. Dieses berühmte kleinformatige Ölbild der Frührenaissance stellt den Moment dar, in dem der Erzengel Gabriel der Jungfrau Maria erscheint, um ihr die Geburt Jesu anzukündigen. Der Engel ist nicht im Bild und befindet sich exakt an der Stelle des Betrachters frontal vor Maria. Der Betrachter ist imaginär im Bildgeschehen als eine Simulation des Engels.

In meinem Bild gibt es einen harten Cut zwischen der linken Bildhälfte und der rechten, die u. a. durch eine Medusa, einer Skulptur von Gianlorenzo Bernini, gekennzeichnet ist.

Zwei mythische bzw. religiöse Frauenfiguren werden hier im Bild zusammengebracht. Die Gebärerin des Gottes, der nach christlicher Vorstellung die Menschheit erlöst hat und eine der dunklen früheren Göttinnen und Halbgöttinnen, wie eben die Medusa, deren Anblick versteinerte.

Die rechte Hand Marias hat sich vom Buch, in dem sie grade gelesen hat, entfernt. Maria wird offensichtlich beim Lesen des vor ihr liegenden Buches auf dem Pult von der Erscheinung des Erzengels überrascht und erschreckt. In meinem Bild sind diese Bezüge ausgeblendet und somit nur latent vorhanden. Allein die Geste der Hand verweist auf transkulturelle Zusammenhänge von Mythos und Religion, die von ihren Anfängen bis heute reichen (der rote Mund mit der Sprechblase rechts oben).

Die Fruchtschale, 2022, Acryl/Collage, 100 x 70 cm

 

Die junge Frau mit der Fruchtschale im Zentrum dieser überarbeitete Collage ist ein Detail eines Freskos des Renaissance-Malers Ghirlandaio in der Florentiner Kirche Santa Maria Novella, während die collagierte männliche Gestalt links aus Michelangelos „Jüngstem Gericht“ in der Sixtinischen Kapelle des Vatikans stammt. Dieses Gesicht aus einem endzeitlichen Szenario scheint auf die Fruchtschale zu starren, so als seien diese irdischen Köstlichkeiten eine Erlösung aus dem eschatologischen unerbittlichen Geschehen.

 

 

Dieses Fresko Ghirlandaios stellt ein Geburtszimmer im frühneuzeitlichen Florenz dar. Auffällig ist die rechte bewegte Frauenfigur in einem flatternden weißen Gemacht, auf dem Kopf einen Fruchtkoeb tragend, die eben zur Tür hereingekommen scheint. Während die anderen Frauen im Stil der florentiner Renaissance gekleidet sind, unterscheidet sich die rechte durch ihren antikischen Gewandwurf und ihre ganz Haltung – wie aus einer anderen Welt entsprungen.

 

Der Kunst- und Kulturhistoriker Aby Warburg hatte sich in seiner florentiner Studienzeit spontan in diese Frauengestalt „verliebt“, die dann später in seinem berühmten Mnemosyne-Atlas wieder zusammen mit anderen Werken auf Tafel 46 unter dem Thema „Ninfa. „Eilbringitte“ im Turnabuoni Kreise. Domestizierung“ auftauchen sollte. „Insofern bedeutet die Arbeit an den Bildern für Warburg nicht nur, an der Schnittstelle zwischen dem Körperlichen und dem Unkörperlichen zu arbeiten, sondern auch und vor allem an der zwischen Individuum und Kollektiv. Die Nymphe ist das Bild des Bildes, die Summe der „Pathosformeln“ (ein Warburg’scher Begriff)…“[1] Für Warburg war "Mnemosyne" ein Symbol für das kulturelle Gedächtnis, inspiriert von der griechischen Göttin der Erinnerung, Mnemosyne. Durch dieses Projekt wollte er aufzeigen, wie das Nachleben der Bilder früherer Kunst, das heißt die Fortdauer und Transformation antiker Motive und Symbole in späteren kulturellen Kontexten, das europäische kulturelle Gedächtnis prägte. Der Mnemosyne-Atlas diente als visuelles Forschungsinstrument, mit dem Warburg die Dynamiken des kulturellen Gedächtnisses und die Rolle der Bilder als Träger und Übermittler kultureller Werte und Ideen erforschte.

Warburgs Ansatz war revolutionär, weil er die Bedeutung von Bildern und Kunstwerken nicht nur im Kontext ihrer Entstehungszeit, sondern auch in ihrem langfristigen Einfluss auf die Kultur und das kulturelle Gedächtnis betrachtete. Der Mnemosyne-Atlas zeigt, wie tief Warburgs Interesse an der Psychologie, Anthropologie und der Geschichte der Religion war, und wie diese Disziplinen in seine kunsthistorischen Untersuchungen einflossen.

In Zusammenfassung, für Aby Warburg bedeutete "Mnemosyne" weit mehr als nur der Titel seines Projekts; es symbolisierte seine tiefgreifende Auffassung von Kunst und Bildern als lebendige Dokumente, die durch die Zeit reisen und dabei essentielle Aspekte des menschlichen Geistes und der kulturellen Identität widerspiegeln.

 

In Michelangelos "Jüngstem Gericht", das die Wand hinter dem Altar in der Sixtinischen Kapelle in Rom schmückt, sind zahlreiche Heilige und religiöse Figuren dargestellt, von denen jede einzelne verschiedene Aspekte des christlichen Glaubens und der spirituellen Vorstellungen der Renaissance symbolisiert (1536/41). Das Fresko zeigt den Tag des Jüngsten Gerichts, wie es in der christlichen Eschatologie beschrieben wird, insbesondere in der Offenbarung des Johannes.

Die Komposition ist rund um die zentrale Figur Christi aufgebaut, der das Gericht über die Seelen der Verstorbenen vollzieht, assistiert von der Jungfrau Maria und umgeben von Heiligen, Märtyrern, Aposteln und anderen religiösen Figuren. Jede Figur oder Gruppe von Figuren symbolisiert unterschiedliche Konzepte oder erzählt verschiedene Geschichten der christlichen Tradition.

Obwohl nicht Heilige im eigentlichen Sinn, zeigen die zahlreichen nackten Figuren, die in den Himmel aufsteigen oder in die Hölle hinabgestürzt werden.

 

 

[1] Giogio Agamben, Nymphae, Berlin 2005, S. 44

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